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Pressespiegel
01. August 2005
Andi Bushati:
Ist es noch moralisch, sich mit Nano zu beschäftigen?

Nach der deutlichen Niederlage, die Fatos Nano der albanischen Linke bei den Wahlen vom 3. Juli zugefügt hat, ist der Leader der Sozialisten für beinahe einen Monat in sämtlichen albanischen Tageszeitungen und Informationssendungen einiger der wichtigsten TV-Anstalten wieder zum Hauptziel zahlreicher Analysten und rosafarbener [ Farbe der sozial. Partei - die red.] Politiker geworden. Wegen der falsch gewählten Politik, wegen des luxuriösen Lebenswandels, wegen des Unfalls von Shkallnuer, weil er die Interessen der Ehefrau über die der Wähler der Linken gestellt hat, wegen der galoppierenden Korruption, wegen der Schließung und Asphyxie der SP, wegen der heimlichen und überlangen Ferien. Nano ist ins Visier geraten. Nicht nur durch diejenigen, die dies schon während der Zeit systematisch betrieben haben, als er die Macht skrupellos ausübte, sondern auch durch neue Kritiker, die wie die Pilze nach dem Regen emporschießen.

Und in dieser erneut entstandenen Atmosphäre, die einem übergroßen Ring gleicht, in dem alle auf ein Opfer – mehr einen politischen Leichnam – eintreten, parallel zum Schwarm all jener, die kritisieren, wenn er wieder auf die Beine kommt und eine weitere Mutmaßung: Ist es noch moralisch, sich mit Nano zu beschäftigen, einem Ertrinkenden einen Tritt an den Hals zu versetzen?

Mehr oder wenige alle, die begonnen haben, diese Frage zu stellen haben auch die Antwort parat. Es ist weder elegant noch moralisch, sich mit einem Verlorenen zu beschäftigen. Im besten Falle haben wir es hier mit einem Mangel an Charakter jener Meinungsbilder zu tun, die dies tun. Vielleicht auch mit einem Mangel an Ideen seitens anderer, die nur auf das Zuschlagen programmiert sind. Im schlimmsten Falle hingegen kann dies als die Wahl einer Taktik kommentiert werden, als kleiner Trick, der einen großen Krampf verbirgt. Den Krampf all jener, die dem Aufstieg Berishas an die Macht dienten, eingeschüchtert oder zu träge, um eine neue Schlacht zu eröffnen, sind sie bewusst in sich eingeschlossen verblieben im Unnutz der alten Schlacht. […]

Die Antwort auf diese Frage ist ein wenig doppeldeutig. Ja, es ist immer noch wichtig, sich mit Nano zu beschäftigen. Dies wäre keineswegs nötig, wenn er sich ein einziges Mal würdig gezeigt hätte, das gegebene Wort zu halten: den Abtritt nach der Katastrophe. Aber das passiert nicht. Falls es geschähen würde, wäre das das einfachste gewesen. Fatos Nano würde wegen anderer Dinge erwähnt. Er würde wegen seiner Rolle in der Geschichte der letzten 15 Jahre des Pluralismus erwähnt. Er würde erwähnt als der Mann von einst, dem es nicht schwer fiel, die Niederlage zu akzeptieren und den Stuhl zu verlassen, als Mann, der die Linke zu modernisieren versuchte, als politischer Gefangener, der zum Symbol des Widerstands gegen den Revanchismus von Berisha geworden ist, als Architekt des Schaffens eines Geistes der Toleranz und des Zusammenlebens im Jahr 1997, als Mann, der die Macht einst teilte und nach vorne blickte.

Vielleicht wird dies alles bei einem späteren Rückblick mehr Platz im Portrait seiner Politik einnehmen als die plötzliche Liebe zum Geld, die ihn tiefer zerstört hat als sein politisches Hasardspiel, mehr als die Spaltung der Linken, die sie zumindest für einige Jahre oder noch mehr in die Opposition geschickt hat, denn das größte Übel, das er diesem Staat zugefügt hat, war, dass er ihn mit mafiosen Elementen durchsetzt hat.

Diese ganze politische Bilanz jedoch, nach der Fatos Nao eines Tages – das wäre kein Wunder – als positive Persönlichkeit dastehen würde, wäre nur für die Geschichte von Wert, Wenn der Führer der Sozialisten sich um ihre Retuschierung bemühte und nicht immer noch hinter seinem zerbrochenen politischen Stuhl herkriechen würde.

Solange Nano selbst diesen zweiten Weg wählt, wird er auch weiterhin nicht mit dem barmherzigen Auge gesehen werden, sondern mit dem gnadenlosen Auge eines Poussierstengels, der das Unglück nicht akzeptieren wird. Mit dem kritischen und fachenden Auge.

Und diese Betrachtungsweise kann nicht nur mit der Geschichte verbunden sein. Und zwar aus dem einfachen Grund, dass sie nichts mit der Vergangenheit zu tun hat. Sie hat ebenso mit der Zukunft zu tun, denn, wie es scheint, verlangt Fatos Nano, heute Fürer derjenigen zu bleiben, die morgen gegen Berisha opponieren. Mit derselben Geringschätzigkeit, Verantwortungslosigkeit , demselben Zynismus wie ehedem, jedoch mit der neuen Angst, in Zukunft das, was er sich in den letzten beiden Jahren angeeignet hat, zu verteidigen.

Braucht die Linke aber einen solchen Leader und weiter noch, braucht das Land eine Linke, die trotz des großen Schadens, den es ihr zufügte, sich nicht von ihrem letzten Relikt des Instituts für marxistisch-leninistische Studien trennen kann? Genau in diesen Fragen muss auch einer der Gründe gesucht werden, warum sich die Medien und die öffentliche Meinung weiterhin wie schon zuvor mit dem verlorenen Ministerpräsidenten beschäftigen. Und neben all diesem hat dieses ganze Interesse an Nano noch einen weiteren Grund, der mit der Rückkehr von Berisha an die Macht zusammen hängt. Mit der Rückkehr von demjenigen, dem ein teil von uns und die Mehrheit der Albaner tatsächlich vertraut haben, der aber immer noch nicht den autoritären Fleck der Regierungszeit von 1992-1997 verloren hat. Und genau das ist einer der Gründe, dass Albanien heute einer stärkeren Opposition denn je bedarf. Und eine solche Opposition darf nicht von Zypern oder Teneriffa aus geführt werden. Eine solche Opposition verlangt Idealismus und Mut und nicht Beklemmung, denn die Liebe füttert man nicht mehr mit Macht und der Angst, auch das zu verlieren, was man errungen hat.

aus: "Klan" vom 01.08.2005


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